Am 20. und 21. September nahm CHEM Trust am Kongress „Chemikalienpolitik im Dialog“ teil. Dieser wurde von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (BLAC) und dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit der Goethe Universität Frankfurt und dem Mercator Science-Policy Fellowship-Programm der Rhein-Main Universitäten ausgerichtet.
Das Programm hielt Vorträge aus dem gesetzgeberischen und politischen Bereich sowie aus der Wissenschaft bereit, zudem gab es praktische Anwendungsbeispiele von Unternehmen. Am ersten Tag fanden neben einer Einführung und Darstellung der Umweltbelastung durch Chemikalien, verschiedene Vorträge und eine Podiumsdiskussion im Kontext der Umsetzung der EU-Chemikalienstrategie statt. Am zweiten Tag wurden die Themen F-Gase, per- und polyfluorierte Alkylsubsstanzen (PFAS), X-Polymere und endokrine Disruptoren behandelt.
Zu Beginn verdeutlichte Prof. Dr. Werner Brack vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in seinem Vortrag die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verringerung der Chemikalienbelastung, welche die planetaren Grenzen bereits überschreitet. Aktuelle Beispiele waren:
- Förderung der Korallenbleiche durch Abbauprodukte von Oxybenzon, einem Sonnenschutzmittel. So wird die Bedrohung der Korallenriffe, einem wichtigen, marinen Lebensraum, verstärkt,
- Direkte und indirekte Wirkungen von Pestiziden auf Bestäuber, mit offensichtlichen Auswirkungen auf die weltweite Nahrungsversorgung und auf Amphibien, deren Artenverlust auch die Stabilität von Ökosystemen gefährdet,
- Anstieg von Entwicklungsstörungen beim Menschen, z. B von Autismus, Hyperaktivität durch Umweltschadstoffe, wie Blei und endokrine Disruptoren (EDs).
Zum Abschluss des Kongresses unterstrich CHEM Trust in einem Vortrag die Notwendigkeit, zügig Maßnahmen in Deutschland umzusetzen, um die Belastung mit Substanzen, die das Hormonsystem schädigen (oder andere problematische Eigenschaften haben) zu verringern. Daten aus Untersuchungen in Deutschland zeigten, dass Kinder und Jugendliche teilweise so stark mit PFAS belastet sind, dass Gesundheitsschäden nicht ausgeschlossen werden können.
CHEM Trust erwartet von der Bundesregierung, dass sie sich auf EU-Ebene für eine schnelle und ambitionierte Umsetzung der EU-Chemikalienstrategie einsetzt. Insbesondere muss das Verfahren zum Verbot problematischer Substanzen in Verbraucherprodukten vereinfacht (generic risk management approach) und CLP-Gefahrenklassen für EDs sowie besonders umweltschädliche Stoffe eingeführt werden.
CHEM Trust erwartet zudem von der Bundesregierung, dass sie ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, einen nationalen EDC-Aktionsplan zu erarbeiten, transparent und unter Beteiligung der Stakeholder endlich einlöst. Hierfür könnte zum Beispiel auf die Forderungen verschiedener NGOs zurückgegriffen werden. Nationale Verbote, eine gezielte Forschungsförderung, die (methodische) Lücken zur Regulierung gefährlicher Substanzen schließt sowie eine gute Verbraucherinformation über Chemikalienrisiken, können in Deutschland sofort und unabhängig vom Geschehen auf EU-Ebene umsetzt werden. Nicht zuletzt muss das Humanbiomonitoring kontinuierlich fortgeführt werden, um den Erfolg von Maßnahmen überprüfen zu können und neue Bedrohungen zu entdecken.
Der BLAC – Kongress war eine gute Möglichkeit, das Thema der Chemikalienbelastungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und (neue) Handlungsoptionen zu diskutieren. In den zwei Tagen wurde deutlich, dass Mensch und Umwelt vielen besorgniserregenden Chemikalien ausgesetzt sind, die die Gesundheit und Ökosysteme bedrohen. Zur Abwendung weiterer Schäden ist entschlossenes Handeln auf allen Ebenen wichtig: EU, national und auch in einzelnen Bundesländern. Die BLAC hat auf Grundlage der Vorträge und Diskussionen des Kongresses auf seiner nachfolgenden Sitzung einen Beschluss veröffentlicht. Darin wird u. a. die hohe Dringlichkeit unterstrichen, „die Vorschläge
zur CLP- und REACH-Verordnung bis März 2023 vorzulegen.“