PFAS in Kindern aus Deutschland

PFAS in Kindern aus Deutschland

Neue Daten aus dem Human-Biomonitoring unterstreichen die dringende Notwendigkeit einer Beschränkung der gesamten Stoffgruppe

 

Zusammenfassung

Eine offizielle deutsche Studie zum Human-Biomonitoring hat schädliche per- und polyfluorierte Alkyl-Substanzen (PFAS)  im Blut von Kindern und Jugendlichen in Deutschland gefunden. Darunter waren auch Substanzen, die in der EU und weltweit bereits verboten sind. Einige Chemikalien, die im Blut einiger der Kinder nachgewiesen wurden, waren bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Geburt verboten.

Wie das Umweltbundesamt in einer Pressemitteilung hervorhob, hatte ein Fünftel der Teilnehmenden dieser Studie Konzentrationen der PFAS-Chemikalie PFOA im Blut, die über dem sog. HBM-I-Wert lagen. Dieses Level ist so definiert, dass bei einem Überschreiten schädliche Auswirkungen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können.

PFAS werden häufig in Alltagsprodukten verwendet, darunter Lebensmittelverpackungen, Möbel, Kosmetika und Kleidung. Weitere Expositionsquellen können verunreinigtes Trinkwasser oder Rückstände in Lebensmitteln sein. Mehrere PFAS-Verbindungen sind als problematisch eingestuft, z.B. aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Fortpflanzung und die mögliche Entwicklung bestimmter Krebsarten.

Die genannte Studie ergänzt bereits existierende Studien die zeigen, dass schädliche Chemikalien aus der PFAS-Familie mittlerweile auf der ganzen Welt nachgewiesen werden können.

Der Deutsche Umweltsurvey

Die Human-Biomonitoring-Daten wurden im Rahmen des 5. Zyklus der Deutschen Umwelterhebung (German Environmental Survey V, GerES V) generiert, die im Zeitraum von 2014 bis 2017 durchgeführt wurde. Der GerES ist eine bevölkerungsweite Querschnittsstudie, die in Deutschland seit den 1980er Jahren durchgeführt wird. Die aktuelle 5. Studie liefert erstmals bevölkerungsrepräsentative Daten über die PFAS-Exposition deutscher Kinder und Jugendlicher.

An der Datenerhebung und Befragung nahmen 2.294 Teilnehmende im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 Standorten in ganz Deutschland teil. Sie umfasste ein Interview und einen Fragebogen, um Informationen über Expositionsfaktoren, einschließlich des Nahrungsmittelkonsums, relevante Verhaltensweisen und ihr Lebensumfeld zu sammeln.

1.109 Blutplasmaproben wurden auf 12 unterschiedliche PFAS analysiert, darunter PFOS, PFOA und PFHxS.

Die Ergebnisse

Die Ergebnisse, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift International Journal of Hygiene and Environmental Health veröffentlicht wurden, zeigen, dass die junge Generation den verbotenen Stoffen PFOS und PFOA immer noch in beträchtlichem Maß ausgesetzt ist: PFOS wurde bei 100 % der Teilnehmenden gefunden und PFOA bei 86 %. Bei mehr als einem Fünftel lagen die PFOA-Konzentrationen über dem Human-Biomonitoring-Wert (HBM-I) von 2 ng PFOA/mL Blutplasma. Werte, die über diesem Level liegen, weisen auf eine Exposition hin, bei der negative gesundheitliche Auswirkungen nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können.

Die Deutsche Biomonitoring-Kommission hat diese Werte abgeleitet, indem sie Effekte wie reduziertes Geburtsgewicht und entwicklungstoxische Wirkungen, gestörte Fruchtbarkeit, verminderte Antikörperbildung nach Impfungen, erhöhte Cholesterinkonzentrationen und Typ-II-Diabetes berücksichtigt hat.

Die kurzkettige perfluorierte Substanz PFHxS wurde bei 74 % der Teilnehmer nachgewiesen, mehrere langkettige PFAS wurden in niedrigen Konzentrationen gefunden.

Die jüngste Altersgruppe der Teilnehmenden wurde zu einem Zeitpunkt geboren, zu dem die EU die Verwendung von PFOS bereits stark eingeschränkt bzw. verboten hatte. Dass dennoch dieser Stoff in ihren Blutproben nachgewiesen werden konnten, bedeutet, dass die Exposition gegenüber diesem Stoff fortbesteht. Und der Grund dafür ist die extreme Langlebigkeit dieser Substanz, die jahrzehntelang in der Umwelt verbleibt, ohne abgebaut zu werden.

Expositionswege und -quellen

Die Umfrage ergab, dass es mehrere Expositionswege und Quellen von PFAS gibt, die für Kinder und Jugendliche relevant sein könnten. Zum Beispiel wurde eine längere Stillzeit im Kindesalter mit höheren PFAS-Werten positiv korreliert.  In anderen Studien wurden PFAS in der Muttermilch von Menschen und Wildtieren weltweit nachgewiesen. Trotzdem gilt nach wie vor die medizinische Empfehlung, dass Stillen, wenn möglich, immer noch das Beste für den Säugling ist.

Die Studie untersuchte auch die Zusammenhänge zwischen einigen Expositionsquellen wie Lebensmittelkonsum, Trinkwasser und der Verwendung bestimmter Konsumgüter, fand aber keine statistisch signifikanten Korrelationen. Die Forscher geben an, dass dies mögliche weitere Expositionsquellen sind, die noch weiter untersucht werden sollten.

Ninja Reineke, von CHEM Trust:

„Es ist sehr besorgniserregend, dass etwa 20 % der jungen deutschen Generation dem weitgehend verbotenen PFOA in einem Ausmaß ausgesetzt sind, bei dem schädliche Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können. Diese Ergebnisse sind ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit, die gesamte PFAS-Familie zu verbieten. Jedes weitere Jahr Verzögerung bei der Regulierung dieser hoch-persistenten Chemikalien bedeutet eine zunehmende Belastung für die künftigen Generationen“.

Dringender Bedarf an Kontrollmaßnahmen der PFAS-Gruppe

Es gibt über 4.500 Chemikalien in der PFAS-Familie, aber nur eine Handvoll davon sind bisher reguliert worden. Bei der derzeitigen Regulierungsrate würde es über 40.000 Jahre dauern, alle Chemikalien der PFAS-Familie zu regulieren.

PFOS wurde 2009 im Rahmen der internationalen Stockholm Konvention weltweit beschränkt und PFOA wurde nach jahrelangen Verzögerungen 2019 aufgenommen. Es wird erwogen, PFHxS unter der Konvention aufzulisten, und die EU bereitet eine Beschränkung unter der EU Chemikaliengesetzgebung REACH vor. Weitere PFAS werden in der EU über REACH reguliert oder befinden sich in der Diskussion. Fünf europäische Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, arbeiten derzeit an einem EU-weiten Beschränkungsvorschlag für alle PFAS, der 2025 in Kraft treten soll.

– PFAS sind auch als prioritäre Chemikalien in der EU-weiten Human-Biomonitoring-Initiative HBM4EU ausgewählt worden

– Weitere Informationen über PFAS und unsere Handlungsempfehlungen finden Sie in unserem Report:

PFAS – die ‚ewigen‘ Chemikalien,  
Unsichtbare Bedrohungen durch persistente Chemikalien.